Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Ihren Kleinkindern im Auto und plötzlich haben Sie einen Unfall. Es kracht laut, Scheiben zerspringen. Benommen wachen Sie auf. Blut läuft über Ihre Hand und Sie blicken zurück. Dort sehen Sie – blutüberströmt und regungslos – Ihr Kind im Kindersitz…
Haben Sie auch Angst vor diesem Alptraum? Mir als dreifachen Vater läuft es bei diesem Gedanken kalt den Rücken herunter. Als langjähriger Notarzt und Intensivmediziner habe ich solche Situation gesehen. Nicht erst einmal. Sie sind täglich Realität auf unseren Straßen.
Sie als Mutter, Vater, Oma, Opa, Onkel, Tante, Babysitter… dürfen in diesem Szenario eines nicht mehr tun: nachdenken. Sie müssen stattdessen funktionieren und vor allem handeln. Sie dürfen nicht denken „Was ist jetzt das Richtige?“, „Was tue ich als Erstes?“ – Sie müssen es wissen, wenn Sie die Überlebenschancen Ihres Kindes erhalten wollen.
Ich weiß, das klingt hochtrabend. Aber ganz ehrlich: Ich meine das vollkommen ernst. Wenn Sie in dieser Situation wissen, was zu tun ist, wird Ihr Inneres auch das Richtige tun. Wie Sie in diesem Horrorszenario mit den besten Chancen für sich und Ihre Kinder wieder herauskommen, habe ich diesen Beitrag gewidmet.
Schritt 1: Sichern Sie die Unfallstelle – eine tote Mama kann kein Kind retten!
Das ist so wichtig, dass ich es nicht oft genug betonen kann. Das gleiche Thema diskutiere ich auch bei unseren Trainings mit Arztkollegen und Sanitätern. Ein Retter, der sich selbst verletzt, kann nicht mehr helfen.
Das Gleiche gilt für Sie: Wenn Sie im oben geschilderten Szeanario vom nächsten Auto überfahren werden, helfen Sie mit Sicherheit niemanden mehr. Es gilt vielmehr: Je fitter Sie körperlich sind, desto besser können Sie Ihrem Kind helfen.
Nehmen Sie daher Ihr Warndreieck, stellen sie es auf und halten Sie am besten noch andere Autofahrer an, damit diese die Unfallstelle aktiv mitabsichern können.
Schritt 2: Aktivieren Sie die Rettungskette – Rufen Sie die Rettung!
Im nächsten Schritt müssen Sie sofort dafür sorgen, dass die Rettungskette aktiviert wird. Das heißt für Sie nichts Anderes als: Rufen Sie die Rettung selbst an oder sorgen Sie dafür, dass ein anderer Erwachsener das sofort tut. Weisen Sie ihn oder sie auch an, was zu sagen ist: Standort, Autounfall, wieviele Verletzte und UNBEDINGT dass auch ein Kind verletzt ist.
Die Telefonnummer der Rettung lautet: 144 in Österreich oder 112 in der gesamten EU.
Schritt 3: Erst jetzt – Rettungsmaßnahmen für Ihr Kind
Auch wenn es verrückt klingt, aber erst jetzt ist es an der Zeit, sich um Ihr Kind zu kümmern. Ihr kleiner Liebling ist nämlich bei einer lebensbedrohlichen Verletzung mit Sicherheit totgeweiht, wenn Sie die ersten beiden Schritte nicht setzen!
Überlegen Sie dazu einfach: Wie lange halten Sie zum Beispiel eine hochwertige Herzdruckmassage durch? Und selbst wenn Sie es stundenlang tun könnten: Wie lange hält Ihr Kind diese ohne ärztliche Betreuung aus? Nur die Ärzte in der Klinik könnten Ihr Kind langfristig vor dem Verbluten durch die Verletzungen retten. Wenn die Rettung aber nicht Bescheid weiß, können die Helfer auch nicht kommen und Sie und Ihr Kind abholen.
Daher betone ich es nochmal: Bitte halten Sie sich an die Reihenfolge der oben genannten Schritte!
Was tun Sie in welcher Reihenfolge beim Kind?
- Sie sprechen es an! Es ist wichtig, dass Sie Ihr Kind laut und deutlich und mit einer zusätzlichen Berührung ansprechen. Reagiert es und ist es bei Bewusstsein? Dann ist es gut. Sprechen Sie weiter mit dem Kind und versuchen Sie, es weiter bei Bewusstsein zu halten. Helfen Sie Ihrem Kind gegebenenfalls, leichter zu atmen: Öffnen Sie den Gurt, das Hemd etc.
Ist Ihr Kind nicht bei Bewusstsein, müssen Sie den nächsten Schritt setzen! - Prüfen Sie die Atmung! Halten Sie Ihr Ohr an das Gesicht des Kindes und die Hand auf den Brustkorb. Sie müssen sich sicher sein! Atmet Ihr Kind noch? Das ist gut. Befreien Sie es aus dem Kindersitz und bringen Sie es in die stabile Seitenlage auf den Boden. Prüfen Sie von nun an jede Minute, ob Ihr Kind noch atmet.
Ihr Kind atmet nicht? Jetzt müssen Sie schnell handeln. - Führen Sie eine hochwertige Herzdruckmassage durch! Nun hängt das Leben Ihres Kindes von einer qualitativ hochwertigen Herzdruckmassage ab.
Wie funktioniert eine hochwertige Herzdruckmassage?
Dabei gilt: Kinder unter 1 Jahr müssen mit Daumen/Zeigefinger und Mittelfinger reanimiert werden. Bei älteren Opfern werden beide Hände für die Herzdruckmassage verwendet.
Offiziell besteht eine qualitativ hochwertige Herzdruckmassage aus folgenden 2 Aktionen:
- 15-mal schnell und tief drücken
- 2-mal beatmen
Ich aber empfehle Ihnen:
- Konzentrieren Sie sich allein auf das Drücken
Sie müssen 100-120 Mal pro Minute fest auf das Brustbein Ihres Kindes drücken.
Das heißt für Sie: Bei einer hochwertigen Herzdruckmassage drücken Sie 2x/Sekunde. - Hören Sie auf keinen Fall mit der Herzdruckmassage auf!
- Verzichten Sie auf die Beatmung
Aktuelle Studien zeigen, dass eine Beatmung keinen Unterschied bei der Reanimation ausmacht. Im Gegenteil: Sie lenkt von der viel wichtigeren Aufgabe des Drückens nur ab. - Verwenden Sie so schnell wie möglich einen Defibrillator
Um auf Notfälle vorbereitet zu sein und Leben retten zu können, sollte jeder Haushalt über einen Defibrillator verfügen. Setzen Sie diesen so schnell wie möglich bei Ihrem Kind ein und reanimieren Sie es danach für weitere 2 Minuten.
Wichtig ist dabei: Führen Sie die Herzdruckmassage beherzt durch. Nur mit Kraft können Sie das Herz Ihres Kindes wieder zum Schlagen bringen.
Eine Bitte als ehemaliger Notarzt: Um das Leben Ihres Kindes retten zu können, müssen Sie den Rettungskräften auch Platz machen. Eltern, die von ihrem Kind nicht ablassen wollen, verringern dessen Überlebenschancen!
Schritt 4: Nehmen Sie Hilfe an
Ehrlicher Weise ist Ihre Arbeit an der Unfallstelle mit der Herzdruckmassage getan. Sobald die Rettungskräfte da sind, übernehmen diese. Allerdings ist der Unfall für Ihre Familie damit noch lange nicht aus dem Leben.
Dafür wurden sogenannte Kriseninterventionsteams geschaffen. Es handelt sich dabei um Profis, die Ihnen und Ihrer Familie helfen, diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten. Egal wie dieser Unfall ausgeht (und ich wünsche Ihnen, nie eine solche Situation zu erleben): Die psychische Belastung ist enorm. Lassen Sie sich helfen und scheuen Sie sich nicht davor, Hilfe anzunehmen.
Meine Empfehlung: Lesen, lesen, lesen und mindestens 1x trainieren
Ich hoffe, Sie konnten durch diesen Beitrag etwas für sich mitnehmen. Ich hoffe zudem, dass Sie den eingangs geschilderten Vorfall nie erleben. An dieser Stelle möchte ich Sie aber auch auf meine Kindernotfallkurse für Eltern, Großeltern, Tanten, Onkels, Babysitter etc. hinweisen.
Mein Team und ich trainieren in diesen Kursen mit Ihnen an High-Tech-Notfallsimulatoren solche Notfälle mit Ihnen. Wir bereiten Sie darauf vor, in diesen Situationen richtig zu reagieren und die Überlebenschancen Ihres Kindes im Notfall maximal zu erhöhen.
Wenn Sie sich für Ihre Kinder auf lebensbedrohliche Notfälle vorbereiten wollen, dann klicken Sie unten auf den roten Button oder den nachfolgenden Link und melden Sie sich für einen unserer nächsten Schulungstermine an: https://www.kindernotfallkurs.com/veranstaltungen/
Ja, ich will die Erste-Hilfe bei Kinderunfällen üben!
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